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Rettung naht



Rettung naht
Kunstinstallation für eine heile Welt







Das Rote Kreuz begleitet uns als Symbol für Hilfe, für die Rettung aus der Not, für den Ausweg aus der Katastrophe. Das Rote Kreuz hilft jedem, fragt nicht nach Opfer und Täter, nicht nach dem Schuldigen an der Katastrophe. Das Rote Kreuz hilft den aus dem Krieg zurückkehrenden Soldaten, auch wenn sie die Welt in Brand gesetzt haben. Es hilft den Jägern und den Schlägern, ist eine Instanz der Menschlichkeit, die nicht fragt und schon gar nicht wertet. Erfüllt sich im Sanitäter Goethes Aufforderung „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“?
Moderne Organisation und Technik machen die Katastrophe scheinbar handhabbar. Das Unglück kann kommen: Leitstelle, Rettungswache, Rettungs-wagen, der Krisenstab, die Retterinnen und Retter stehen bereit. Die Katastrophenpläne können jederzeit aus der Schublade gezogen werden, alles ist vorbereitet. Doch nimmt das Rote Kreuz dem Menschen die Angst, empfinden wir überall Sicherheit und Geborgenheit? Oder ist das Rote Kreuz der „Katastrophenverkünder“, der moderne Mahner: „Mensch, bedenke, dass Du sterblich bist!“?



der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes nach dem 2.Weltkrieg







Ehrenamt in den 50er/60er Jahren






zeitgenössisches Katastrophenmanagement






Das Thema der Installation "Rettung naht" ist das Rote Kreuz als der ruhende Pol über die Zeitläufe weg, das Rote Kreuz als Institution, die die Menschlichkeit an sich verkörpert. Die Installation behandelt diese Thema am Beispiel der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dabei steht insbesondere die Fragestellung im Mittelpunkt, ob es überhaupt Menschlichkeit an sich gibt, ob sie privat oder öffentlich ist, ob sie nicht immer auch verbunden ist mit den Zeitläufen, mit der Geschichte, mit der Politik.
Die starke Symbolik des Roten Kreuzes, seine vielschichtige Bedeutung ist schon lange fester Bestandteil der Kunst Peter Schmidts. Direkte Vorläufer der Installation „Rettung naht“ sind zwei Aquarelle, auf denen Peter Schmidt zwei Stellwerke abgebildet hat. Stellwerke, das sind meist kleine Bahngebäude, von denen aus die Signale und die Weichen gestellt werden. Eines der Stellwerke wird offensichtlich als Lazarett benutzt, zwei Sanitäter tragen auf einer Bahre eine Verletzte. Das zweite Bild zeigt das Ludwigsburger Stellwerk mit einem Militärtransport. Vor dem Aquarell ist im Modell eine Rot-Kreuz-Schwester zu sehen, die gerade Kaffee an Soldaten verteilt.
Anlass der Installation „Rettung naht“ ist die Verbindung privater Geschichte mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, gespiegelt am Roten Kreuz. Peter Schmidts Vater zog mit sechzehn in den Zweiten Weltkrieg. Die Sanitäter waren für ihn eine der wenigen Hoffnungen, als er ständig vom Tod bedroht war. Nach dem Krieg wurde er selbst Sanitäter. Diese private Geschichte ist Teil der nationalen und internationalen Geschichte.
Am Anfang der Bundesrepublik stand die Verwandlung der heimkehrenden Soldaten von Tätern zu Opfern. Die Soldaten, die eben noch Elend und Tod über Europa gebracht hatten, wurden jetzt zu Opfern, denen geholfen wurde. So zeigt sich hier in der Kunst Privates und Politisches, verbindet diese zwei Bereiche. Die Nachkriegszeit verwandelt sich in die heile Welt der 50er und frühen 60er Jahre. Kinderfest wird gefeiert, das Rote Kreuz ist Teil davon, feiert mit, die ehrenamtlichen Sanitäter haben ihre Zelte aufgebaut, das Rote Kreuz kümmert sich auch um die kleinen Wehwehchen. Doch die Idylle lässt sich nicht aufrecht erhalten, Wandel findet statt. Die moderne Welt mit internationalen Standards verdrängt die graue Uniform des Sanitäters, nun herrschen steriles Weiß und Signalfarben.

Die Planung
Am Anfang stellte sich die Frage, welches Rote Kreuz in der Installation dargestellt werden sollte? Das Rote Kreuz als Symbol oder als Organisation? Das Internationale Rote Kreuz, das Deutsche Rote Kreuz, das Rote Kreuz von Solferino bis heute? In langen Diskussionen mit Jens Rohwer, dem „Rot-Kreuz-Experten“, wurde dann beschlossen: Das Rote Kreuz der Bundesrepublik Deutschland sollte es sein, vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute. Die erste Idee, den Nationalsozialismus direkt einzubeziehen, wurde verworfen, die Rolle des Roten Kreuzes im Nationalsozialismus war zu eindimensional, um in der Installation dargestellt zu werden. Das Deutsche Rote Kreuz war schlicht und einfach eine Nazi-Organisation mit dem Hakenkreuz im Emblem, das dem eigenen Grundsatz, jedem zu helfen, der in Not ist, nicht gerecht wurde.
Das Deutsche Rote Kreuz von 1945 bis heute mit all seinen Aufgaben war zu vielfältig, um in einem Kunstwerk dargestellt zu werden. Zusammen mit Jens Rohwer wurden drei „Arbeitsgebiete“ ausgewählt, erstens der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes nach dem Zweiten Weltkrieg, zweitens das Rote Kreuz der 50er Jahre mit der ehrenamtlichen Arbeit und drittens der moderne Rettungsdienst. Jens Rohwer konnte dann auch die ersten Kontakte zwischen dem Deutschen Roten Kreuz und Peter Schmidt herstellen.

Die Recherche und Realisierung
Dr. Hansjörg Kalcyk vom Suchdienst des DRK in München ermöglichte es Peter Schmidt, im Fotoarchiv des Suchdienstes mit Unterstützung von Frau Stoewer zu arbeiten. Hierdurch konnte der erste Teil der Installation sehr genau entsprechend der Suchdienst-Realität nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut werden. Alle Szenen sind der Wirklichkeit entnommen; die Fotos der Vermissten sind Reproduktionen von Originalen, Adenauer besuchte das Lager Friedland und hielt dort eine Rede, die Kriegsheimkehrer wurden mit Blumen und dem Schriftzug „Willkommen in der Heimat“ empfangen, ehemalige Mitglieder des Afrikakorps trafen sich unter ihrer alten Fahne, das Rote Kreuz findet sich auf einem Plakat neben dem Portrait von Feldmarshall Rommel.
Zum Abschnitt 50er und 60er Jahre war wenig Recherche nötig, denn diesen Teil der Geschichte hat Peter Schmidt selbst erlebt. Als Sohn und Enkel von Sanitätern gehörte er auf dem Unterkochener Kinderfest zur „Rot-Kreuz-Truppe“ dazu, das Rot-Kreuz-Zelt wurde zum Spielplatz. In diesem Bereich der Installation kann der Betrachter die ganze heile Welt des klassischen Eisenbahnmodellbaus und gleichzeitig die Demontage dieser heilen Welt sehen.
Großzügige Unterstützung erhielt Peter Schmidt vom Roten Kreuz in Stuttgart. Hans Schwaderer von der Integrierten Leitstelle in Stuttgart führte ihn durch die Leitstelle und gab ausführliche Informationen zu den Abläufen, wo die Notrufe aufgenommen werden, wie sie weitergeleitet werden, zeigte auch, wo in zukünftigen Katastrophenfällen der Krisenstab sitzen wird. Oliver Braun von der Hauptrettungswache des DRK Stuttgart erklärte Peter Schmidt wie der Anruf der Leitstelle zum Rettungseinsatz führt, wie der Wachdienst abläuft, wo sich die Sanitäter aufhalten, zeigte die Einrichtungen der Rettungswache wie die Dekontamination und die Ausstattung der Rettungswagen. Cornelia Kling vom (DRK Stuttgart?) steuerte viele Hintergrundinformationen und Literatur bei und ein Modellauto, das jetzt Teil der Installation ist.
Der Bau der Installation dauerte circa ein halbes Jahr. Die meisten Figuren wurden als Rohlinge gekauft, die Peter Schmidt entsprechend der Szenerie bemalte. Manchmal waren auch Änderungen nötig, so wurden aus Bahnbeamten und Feuerwehrleuten Sanitäter. In den Teil Moderne ist eine kleine Rot-Kreuz-Autosammlung von Jens Rohwer integriert. Für die neuesten Rettungswagen wurde eine Gussform gebaut. Der Boden, auf dem die Moderne steht ist ein Tuch aus dem Operationssaal. Hans-Dieter Ruoff baute die Puls-Elektronik. Der Puls des Betrachters taucht die Anlage in rotes Licht, der Betrachter wird so Teil der Installation.



Rettung naht
Dokumentation einer Kunstinstallation für eine heile Welt
Broschüre, 36 S., 14 x 14cm, farbig, 31 Abb.
ISBN 978-3-937280-18-9, Preis: 5,- €
Verlag Andreas Hackenberg
www.vam-hackenberg.de

e-mail: info@vam-hackenberg.de



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